Es ist bereits das dritte Jahr, dass ich langsam in meine kleine Landwirtschaft hineinwachse. In den USA wird diese Art der Kleinwirtschaft als Homestead bezeichnet im Gegensatz zum Bauernhof, der Farm, die auch für andere produziert. Wobei das natürlich den Austausch im kleinen lokalen Rahmen nicht ausschliesst.
Hier nun in einer Art Telegramm-Stil und einigen Bildern, was es zu tun gibt, wenn man das Land im ganz ursprünglichen Sinn bewirtschaftet: ganz echt nachhaltig und umweltfreundlich, in gemischter Kultur mit dem, was eben unter den gegebenen Bedingungen gut gedeiht. Wildkräuter und -früchte sammeln, wie sie kommen, gehört ebenso dazu wie die Kleintierhaltung. Und natürlich ganz viel selber machen oder wieder verwerten.
Der erste Blick am Morgen in die Gartenwildnis
In der Früh sind 13 noch jugendliche Hühner zu versorgen. Im Hühnergarten übernachtet meistens ein junger Feldhase, der sich ins hohe Gras zurückzieht, wenn die wilden Hühner vor Bewegungsfreude auf und ab springflattern.
Die 10 Wachteln sind da viel ruhiger - erst am Abend, wenn es Mehlwürmer gibt, werden sie geradezu aufdringlich.
À propos Mehlwürmer - ich starte einen ersten Versuch, sie selber zu züchten. Das Geflügel hat doch einen hohen Verbrauch.
In der Mittagssonne Lindenblüten für Tee sammeln, dann noch Echtes Labkraut auf unserer grossen Wiese schneiden, die sich mit viel Mühe langsam von der Weide in eine echte Blumenwiese mit Schmetterlingen und anderen Insekten entwickelt.
Jeden Tag eine Handvoll Maulbeeren pflücken und im Tiefkühlschrank sammeln, bis eine ausreichende Menge zur weiteren Verarbeitung zusammenkommt.
Die Tomaten ausgeizen und hochbinden, die ersten Zucchini sind schon da und auch die ersten kleinen Gurken zeigen sich.
Mit dem Beginn der Erntesaison beginnt auch das grosse Konservieren und das habe ich zu dem, was ich schon in meiner Kindheit gelernt habe, noch vieles dazugelernt: Trocknen in der Sonne und im Dörrautomaten, Fermentieren, Einlegen, Einkochen als Marmelade, Gelee oder Kompott, unter Druck einkochen für das Konservieren von Fleisch, Fleischgerichten und allem, was nicht sauer genug ist für das herkömmliche Einkochen. Seit Ende letzten Jahres ist noch ein Wunschtraum aus meinen Wanderzeiten in Erfüllung gegangen - Gefriertrocknen!
Damit gibt es nicht nur selbstgemachte Katzensnacks - gut, dass ich die noch einbauen kann auf einem Blog, der Katzen im Fokus heisst :). Auch zahlreiche andere Dinge wie Kräuter, Obst, Gemüse und sogar Eier lassen sich gefriertrocken und auf Jahrzehnte haltbar machen.
Mindestens zweimal im Jahr gibt es aber eine Pantry Challenge, um die Vorratskammer zu sichten und Konserven aufzubrauchen. Diese Idee stammt von den amerikanischen Familien-Homesteads und ich mag sie sehr. Nach eigenen Vorgaben wird für einen Monat (oder auch länger) gar nichts eingekauft oder nur nicht selbst erzeugte Produkte wie Milchprodukte.
Damit lernt man auch, was man nächstes Jahr nicht mehr braucht - oder vielleicht doch viel mehr davon, weil es so gelungen ist. Und die Gläser für die kommende Erntesaison sind leer.
Mein Einkaufen hat sich zunehmend verändert und neben der Reduktion auf das Nötigste, bevorzuge ich “Einzelfuttermittel”, also Produkte, die ich selber mit meinen Zutaten und Gewürzen zu einem Essen zusammenfüge und nicht die Industrie. In diesen und kommenden Zeiten ist es gut zu wissen, was drin ist … Auch Konserven, vor allem diverse Bohnen und Kichererbsen lassen sich gut selbst einkochen - mit geringem Arbeitsaufwand stehen Gläser (statt Dosen) in der bedarfsgerechter Grösse im Regal und das “plop” beim Öffnen ist ein ungemein befriedigender Ton.
Wie überhaupt die Bewirtschaftung von Grund und Boden mindestens so sehr mit der Natur verbindet wie das Wandern - es ist eine ganz besonders erdende, sinnstiftende und auch spirituelle Art ein Leben zu führen.
Die täglichen kleinen Arbeiten sind nur selten anstrengend und die Tageseinteilung ist abgesehen von Jahreszeit, Tageslicht und Wetter mehr oder weniger frei. Den Notwendigkeiten des Gartens, der Pflanzen und der Tiere zu folgen macht immer noch kein Gefühl der Fremdbestimmung - ich fühle mich als Teil des Ganzen und damit auch immer selbstbestimmt.
Ist die kleine Wirtschaft wirtschaftlich? Keine Ahnung, ich habe es noch nicht ausgerechnet und werde das vermutlich auch nicht tun. Das eigene Essen zu erwirtschaften hat einen grossen Wert für sich und nicht nur einen Preis.
Mein Zugang zu den selbst angebauten Lebensmitteln hat sich grundlegend verändert - es gibt kaum Schöneres als junge Zuckererbsen direkt im Garten zu essen oder die eigenen Kräuter für Gewürze und Tee zu trocknen.
Die eigenen Produkte sind auch ein perfektes Tauschmittel, wenn Geld demnächst noch weiter von seiner ursprünglichen Funktion als Tauschmittel zur Kontrollinstanz und Selbstzweck entartet.
Liebe Sabine, ich hab’s gelesen und fand es hochinteressant. Einiges, was du hier beschreibst, kenne ich aus der Kindheit, denn in der Art wirtschaftete meine Großmutter damals ganz selbstverständlich. Aber auch bei uns zu Hause gehörte Einwecken bis 1989 fest zur Bevorratung. Die Wende hat in dieser Hinsicht keinen Gut Einfluss gehabt, aber inzwischen fangen meine Kinder an, in ihrem Handtuch-kleinen Garten ein paar Kräuter, Gemüse und Obst anzubauen. Viele Grüße, Sabine